Evangelische Kirchengemeinde Zur Heimat
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Predigten
 
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Palmarum, 29.3.2015, 11.00 Joh 17, 1–8
Trost ist nah
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Amen.
Es war also der Kopilot.
Ein 28-jähriger junger Mann, offenbar depressiv, stürzt sich und weitere 149 Menschen mit einem Flugzeug in den Tod. Uns alle hat diese Nachricht in der vergangenen Woche in Atem gehalten – und uns auch den Atem genommen. Nicht nur das Leben von 150 Menschen ist zerstört, sondern auch die Familien und Freunde der Opfer wissen vermutlich überhaupt nicht, wie es weitergehen soll. Ich habe mich gefragt: Was wäre, wenn eines meiner Kinder in einem Flugzeug säße, das jemand zum Absturz bringt? Gar nicht auszudenken.
Unser Predigttext für den heutigen Sonntag Palmarum hat mit alldem zu tun. Hören Sie, was im 17. Kapitel des Johannesevangeliums steht. Ich lese die Verse 1 bis 8:
1 So redete Jesus, und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche;
2 Denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast.
3 Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
4 Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue.
5 Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir in der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe ich in der Welt war.
6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.
7 Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.
8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.
Johannes 17
Warum soll Jesu Tod am Kreuz so unglaublich wichtig sein? Hätte es nicht genügt, wenn er weiter gepredigt hätte, um dann irgendwann ohne Kreuzestod in den Himmel aufzufahren? Warum steht da draußen vor dem Fenster ein großes Kreuz, also ein Symbol des Todes? Und was könnte das alles mit dem Absturz des Airbus A320 in Südfrankreich zu tun haben?
Über Jahrtausende haben sich Christen gefragt: Warum lässt Gott das Leiden in der Welt zu? Wie viele Menschen sind schon über dieser Frage verzweifelt? Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie viele Angehörige jetzt gerade über dieser Frage verzweifeln.
Gerd Appenzeller, der langjährige Herausgeber des Tagesspiegels, hat in seinem Kommentar zum Absturz an Hannelore Kraft erinnert, die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen. Appenzeller schreibt: Frau Kraft „hat im Juli 2010 bei der Trauerfeier für die Opfer der Duisburger Loveparade gesprochen, und jeder wusste, dass sie auch um ihren Sohn gebangt hatte. Sie sagte damals: ‚Wir können Ihren Schmerz nicht ermessen, und nicht lindern.‘ Aber sie sagte den Hinterbliebenen der 21 Opfer auch: ‚Sie sind nicht allein.‘ Das ist auch heute, nach dem Absturz, der einzige Trost, den wir all jenen geben können, die um einen geliebten Menschen trauern.“
Gott kann das Leiden in der Welt nicht ungeschehen machen. Aber dadurch, dass sein Sohn am Kreuz gestorben ist, sagt uns Gott: Wir sind nicht allein. Gott ist zu uns gekommen, ist Mensch geworden und hat das menschlichste erlitten, nämlich den Tod. Darum steht da draußen das Kreuz: Es zeigt uns, Gott ist Mensch geworden, ist mitten unter uns, und ist für uns gestorben. Für uns heißt, dass er durch den Tod seine Nähe zu uns ausgedrückt hat.
Wenn wir auf das schreckliche Unglück in Südfrankreich blicken, wenn wir darauf blicken, dass wir geliebte Menschen verlieren, dass die Dinge nicht so laufen, wie wir sie uns wünschen, dann kann es im Augenblick des unmittelbaren Schmerzes oft keinen Trost geben. Aber das Kreuz steht da. Die Nähe Gottes zu uns ist nicht verfügbar, wenn wir sie vielleicht auch manchmal nicht erkennen können. „Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus erkennen“ – so steht es im zweiten Vers.
Wir Christen, die wir von Gott seinem Sohn gegeben wurden, glauben daran, dass Jesus von Gott kommt. Aber doch ist unser Glauben unvollkommen. Deswegen spricht Jesus hier nicht mit uns, sondern ganz persönlich zu Gott, als ob das alles nicht für unsere Ohren bestimmt sei. Ich stelle mir den Hohenpriester im Jerusalemer Tempel vor, der im Allerheiligsten steht, das niemand betreten darf, und aus dem Allerheiligsten heraus direkt mit Gott spricht. Wir sind erst einmal nicht Adressaten dieses Textes. Wir sind nämlich als Menschen immer noch voller Zweifel an der Macht Gottes. Die ganze Bibel wird von Geschichten des Zweifelns durchzogen.
Unseren Zweifeln wird durch Trauer und Schmerz immer wieder Nahrung gegeben. Das kann doch Gott nicht wirklich so meinen! Und nun fordert Jesus den Vater auf, seine Sendung zu uns Menschen zu besiegeln dadurch, dass Gott Jesus erhöht: Durch den Tod zur Auferstehung führt. Nur damit macht Jesu Sendung überhaupt Sinn.
Eine ereignisreiche Woche liegt vor uns. In Deutschland nennen wir diese Woche, die Karwoche – die Vorsilbe Kar bedeutet Klage, Kummer, Trauer. Die Polen nennen diese Woche Wielki tydzien – Große Woche. Groß ist diese Woche allemal: Am Gründonnerstag setzt Jesus das Abendmahl ein, am Freitag stirbt er am Kreuz, um dann, am Sonntag, wieder aufzuerstehen. In dieser Woche läuft alles zusammen, was unseren Glauben ausmacht. Gebe Gott, dass auch die Angehörigen der Opfer, dass wir alle, die Nähe Gottes für uns erkennen und durch sie Trost und inneren Frieden erfahren.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne. In Christus Jesus. Amen.
Prädikant Dr. Dirk Palm