Evangelische Kirchengemeinde Zur Heimat
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9.10.2024 · 0:39 Uhr | ||
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1. Sonntag nach Epiphanias, 8.1.2012, 11.00 | 1. Korinther 1,26–31 | ||||||||||||||
Anerkennung
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Das Leben, liebe Gemeinde hier in der Heimat,
ist kein Zuckerschlecken.
Aber wem sage ich das: Wie Sie hier sitzen,
haben Sie Ihre eigenen Erfahrungen gemacht,
das Auf und Ab im Gefühls- und sonst welchem Chaos
miterlebt, erlitten, hinter sich gelassen.
Dabei kann unsere Generation, zumal die Jüngeren unter uns,
noch von Glück sagen,
dass zumindest in Deutschland und in Berlin
weder Kriege noch größere Katastrophen
in unseren Biographien Spuren hinterlassen haben:
Glückliche Zeiten im Vergleich, glückliche Menschen –
vergangene Zeiten haben davon geträumt
in Zeiten wie diesen Leben zu dürfen.
Trotz des relativen Glücks der späten Geburt
ist das Leben kein Zuckerschlecken:
Auch wir haben zu kämpfen, auch wir müssen uns einen Platz erobern,
und wenn schon nicht in den Geschichtsbüchern,
dann zumindest einen unter Menschen,
uns einen Ort suchen, an den wir gehören, wo wir gebraucht werden,
den uns keiner streitig machen kann:
Einmal geht es natürlich ums Auskommen, ums Wohnen, ums Geld.
Dann geht es um Anerkennung,
um das sich spiegeln Können in den Augen der anderen,
um die Selbstvergewisserung dessen, was ich bin,
im Echo dessen, was ich tue, was wahrgenommen wird.
„Wer bin ich?“ ist die existentielle Frage des Lebens
Und was wir sind, sind wir in den Augen der Anderen.
Es ruht nicht in sich selbst, wer sich verächtlich
von seiner Außenwahrnehmung unabhängig macht,
sondern erst der- und diejenige, die sich des Beifalls sicher ist.
Der Jahrmarkt der Eitelkeiten hat seinen guten Sinn:
Das Leben ist ein großer Markt,
auf dem um Aufmerksamkeit gerungen wird. „Hier, ich!“
Eitelkeit nennen wir dieses Sich-Spreizen erst dort,
wo übertrieben wird.
Der Vorgang an sich, um Beachtung und um Bestätigung zu ringen,
ist normal – ist nicht zu beanstanden.
Wir sind als soziale Wesen die,
als die wir von anderen wahrgenommen werden.
Der gute alte Paulus nennt das „Ruhm“.
Und er weiß nur zu gut: Gerühmt muss werden.
Es geht um das Maß der Annahme, der Wahrnehmung,
die wir erfahren – und dafür müssen wir Angebote machen.
Wir sind das, dessen wir uns „rühmen“ können.
Unter der Voraussetzung – immer – , dass das jemand merkt.
Wir brauchen zum Leben Publikum.
Publikum, das uns Beifall spendet, auf die Schulter klopft,
oder auch nur über den Kopf streicht, die Wange streichelt.
Insofern könnte man Gott raten,
wenn er in unserer Welt etwas erreichen will,
bei den Reichen und Schönen anzufangen: Mit ihnen vorneweg
Zeichen zu setzen für seine Welt.
Religion, Glaube ist – übrigens vor wie nach Paulus –
immer wieder verstanden und angeboten worden als Hilfsmittel
zu solchen Art Selbstbehauptung: Damit geht es besser.
In Korinth scheint sich diese Perspektive durchgesetzt zu haben:
Es geht um ein gegenseitiges sich Ausstechen und Übertrumpfen,
es geht um ein Gewichtiger und Weniger.
Es geht darum, Punkte zu machen zum Beispiel mit Prominenten:
Seht mal, der ist bei uns dabei, das bedeutet doch etwas,
muss seinen Grund haben – und das strahlt auf mich ab.
Leute, seht her!
In solch eine Gemengelage hinein schreibt Paulus seinen Brief –
ich lese aus dem ersten Kapitel
des ersten Briefes an die korinthische Gemeinde:
Es ist, unter dem Gesichtspunkt der Außendarstellung,
nicht wirklich weit her mit euch, liebe Korinther.
Vielleicht ein paar Leute sogar mit Gewicht in der Stadt,
auch Prominente, aber aufs Ganze gesehen
eine erbärmliche Truppe.
Was sind da nicht für Typen unter euch:
Anderswo würden sie gar nicht zählen, ein Nichts.
Nicht einmal Abschaum, nur organisierte Bedeutungslosigkeit.
Ganz so schlimm ist es aber nicht, Paulus,
immerhin schlagen wir uns durch,
die Alltagstapferkeit ist doch auch respektabel,
der Mut der kleinen Leute, die auch gebraucht werden,
du musst uns nicht runter machen.
Es kann nicht nur Häuptlinge geben: erst die Menge der Indianer
machen aus dem Haufen einen funktionierenden Stamm.
Der Stolz der grauen Masse: Ohne uns läuft auch nichts.
Macht euch doch nicht klein:
Es geht Gott gar nicht um eure Demütigung
und nur die Gebeugten und Verhuschten wären recht.
Es geht überhaupt nicht darum, euch euren Stolz,
eure Selbstachtung zu nehmen, im Gegenteil.
Es geht Gott darum, euch überhaupt erst groß zu machen.
Wenn ihr so wollt: Gott macht euch prominent,
Gott ehrt euch, Gott gibt euch Würde.
Gott gibt euch mehr, als ihr von euch aus je sein könnt,
mehr, als ihr je erreichen werdet.
Und wenn reich und schön und bedeutend,
dann: Vor ihm bedeutend, für ihn schön, von ihm her reich.
Das ist das, was wirklich zählt.
Das ist billig, Paulus: In einer Scheinwelt leben,
einem eingebildeten oder nur imaginären Supermarkt –
eigentlich: ein erfolgsunabhängiges Nullenkonto,
das ich nur zu behaupten brauche,
um mir selbst Bedeutsamkeit vorzugaukeln?
Eine Gegenwelt jenseits der Realen,
in der nicht der Ellenbogen und das Spreizen zählt,
sondern wir uns fallen lassen können?
Eine Welt, die funktioniert: Probiert es doch aus.
Lasst los, lasst euch fallen, lasst euch ein –
wagt es!
Glaubt Gott sein vorbehaltloses Ja zu euch –
sein Ja, das sich nicht auf Verdienst und Würdigkeit gründet,
sondern all dem zuvor kommt.
Entzieht euch dem Jahrmarkt, der nur all zu schnell
und mit unerbittlicher Logik zur Eitelkeit führt.
Nein besser: Geht auf diesen Markt, aber als seltsam freie Menschen,
die sich mit einer durch nichts begründeten Selbstsicherheit
dort bewegen als ginge es sie nichts mehr an,
was sie dort erreichen, wie das Echo ausfällt.
Entzieht euch gerade nicht, zeigt eure Freiheit –
ladet ein in die Freiheit,
die keine ausgesparten Räume und Zeiten braucht,
die nicht in einer Seelenprovinz stattfindet,
sondern mitten im Leben.
Denn: Diese Freiheit, selbst wenn es anders scheint,
ist wohl begründet:
Christus Jesus an eurer Seite, für euch.
Was ihr an Weisheit sucht, an Durchblick und Lebenskompetenz –
hier ist das alles auf eine ganz andere, quer stehende Art
zu finden.
Was ihr an Gerechtigkeit, an Anerkennung und
all den Ansprüchen Genügen braucht: Er schenkt es euch.
Was immer ihr an dem, was wirklich Bestand hat, nicht schafft,
wo euch klar ist, dass nichts ewig ist,
letztlich alles vergeblich und niemand nichts heilig –
bei ihm und durch ihn habt ihr Anteil an dem, was bestehen kann.
Und auch „Erlösung“, was immer euch das sein kann,
Anerkennung, Würdigung oder nur:
„Ich freue mich und es ist sehr gut, dass es dich gibt!“
er sagt euch das Wort, das euch zu Menschen macht.
Deshalb: Wer sich selbst rühmt – wer stolz sein will,
der kann stolz sein, dass in Jesus Gott auf seiner Seite ist.
Mehr braucht niemand zum Leben,
mehr Freiheit, mehr Unabhängigkeit, mehr Sein gibt es nicht.
Amen
Pfarrer Hartmut Scheel
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