Evangelische Kirchengemeinde Zur Heimat
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8.10.2024 · 22:23 Uhr | ||
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Palmarum, 13.4.2014, 11.00 | Hebräer 12,1–3 | ||||||||
widersteht!
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Es ist ein kleines Stück eines Briefes, liebe Heimatgemeinde,
ein kleines Stück aus dem Hebräerbrief,
das uns in die Karwoche hinein begleiten will.
ein kleines Stück aus einem Brief voller verzweifelter Hoffnung:
Ein großer Aufbruch war da am Anfang,
jetzt nur noch die Mühen der Ebene,
der große Jubel damals, jetzt das große Gejammer,
mehr noch, nicht einmal mehr das: ein lästiges Schulterzucken,
Auflösungserscheinungen und das große „Wozu?“.
Die Kraft dieses Anfangs wiedergewinnen! Das will der Hebräerbrief.
Den Schwung behalten, wieder Fahrt aufnehmen. Wie das geht?
An die Wolke von Zeugen wird erinnert – im Kapitel davor vorgeführt:
Die uns vorausgingen, die großen Gestalter unterwegs:
An denen orientieren!
Aus ihrem Willen und Durchsetzungsvermögen Mut schöpfen.
In mühsamen und gleichgültigen Zeiten:
Aus den alten Heldengeschichten Kraft schöpfen!
Nicht umsonst sind sie uns so wichtig, immer wieder:
Allen voran unser Luther, dann auch Paul Gerhardt,
immer wieder Bonhoeffer, Martin Luther King und wer auch immer.
Die Wolke unserer Zeugen, zu denen sich harmlos St. Martin gesellt
und gelegentlich entdecken wir noch ganz andere Heilige.
Diese Formulierung „Wolke von Zeugen“ hat sich eingeprägt:
Wir haben viele Vorgänger – und Vorgängerinnen,
an die wir uns halten sollten.
Oder? Wolken sind nebulös, verwischen den Horizont.
Da ist viel, aber nichts Greifbares – die ganze große Wolke von Zeugen
hilft am Ende kaum, hilft gar nicht.
Es ist in diesem kleinen Briefabschnitt schon merkwürdig:
Da wird das Alte Testament abgeklopft nach tragenden Gestalten,
einiges nicht wenig Beeindruckendes zu Tage gefördert,
und doch am Ende des vorhergehenden Kapitels:
Sie haben es nicht erreicht. Sie haben alle nur Anlauf genommen.
Sie sind – auf dem richtigen Weg vor dem Ziel stecken geblieben.
„Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben …“ –
ihrem Weg, ihrem Vorbild folgen? Ist das die Logik?
Offenbar gerade nicht: Die Wolke verbirgt, vernebelt, trotz allem.
Oder: Die Wolke ist ein Verweis, ein Achtungszeichen für Weiteres,
für ein Mehr, Viel-Mehr.
Für Hoffnungen, die sich ihnen nicht erfüllten, die noch offen sind –
deren Erfüllung jetzt aber näher, viel näher ist als damals,
bei ihnen allen.
Vergesst also die Wolke, dreht euch um, seht woanders hin.
Weil die ganze aufgeblasene Wolke nicht trägt, nicht wirklich,
ist sie eben bestenfalls ein guter Verweis, nicht mehr.
Ist sie ein Verweis auf „Jesus, den Anfänger und Vollender
des Glaubens“ –
zu dem aufsehen, alles andere vergessen, hinter uns lassen,
die ganze Wolke, egal –
oder mit ihr nach vorn blicken, auf ihn!
Der Ritt auf dem Esel, der Einzug ist eine Herausforderung:
Nein, Jesus kriecht nicht zu Kreuze,
packt nicht ein, wenn der Wind von vorn kommt und ins Gesicht bläst.
Er lässt die Dinge nicht auf sich beruhen,
nichts für ungut, war nicht so gemeint,
und wir wollen doch alle irgendwie dasselbe.
Jesus reiht sich nicht ein in die Front der Claqueure,
die dem Mächtigen und Selbstgewissen huldigen,
weil sie, wenn auch selten recht,
am Ende aber doch immer die Macht haben.
Gehst du hierhin, geh ich dorthin,
und ich halt in die Wüste, da störe ich niemanden mit meinen Ideen,
mit den Fragen an das, was ihr gewohnt seid
und für selbstverständlich haltet.
Nein, Jesus reitet ein auf einem Esel in die Höhle des Löwen,
fordert heraus, die Mächtigen und Gewaltigen, setzt Zeichen
ohne Rücksicht auf Verluste und all das Harmoniebedürfnis
zum großen Fest.
Das ist nicht sein Ding: Es gilt irgendwie alles, Unterschiede aushalten
und unterschiedslos alles gelten lassen, es lohnt sich kein Streit.
Jesus auf dem Esel setzt ein Zeichen der Konfrontation:
Es wird gestritten, es wird gekämpft – nicht klein beigegeben,
Karriere gemacht irgendwie, Hauptsache gesund und das Geld stimmt.
Es ist keine Soße von Irgendwie und Gleichgültigkeit,
habt euch doch nicht so und geht euren Weg, sondern:
„Lasst uns laufen …
in dem Kampf, der uns bestimmt ist!“
Sicher: mit Geduld!
Aber Geduld heißt für Jesus nicht:
Den Protest aussetzen, wenn es schwierig wird,
heißt nicht: Ausweichen und die nötigen Kompromisse machen.
Geduld heißt: nicht vom Gegenwind umblasen lassen, verunsichern,
oder gar zum Einpacken zwingen.
Geduld heißt: Warten können darauf, dass der Kampf
mit einem Erfolg gekrönt wird, am Ende, ganz am Ende.
Geduld heißt: Niederlagen, scheinbare und wirkliche Niederlagen
aushalten in der klaren Aussicht: Es wird nicht vergeblich sein.
Der Ritt auf dem Esel ist eine Herausforderung:
Jawohl, ich stelle mich, ich kämpfe, ich halte dagegen
und lasse mich von euch nicht kaufen, nicht zur Kapitulation zwingen.
Leben bedeutet immer auch: Konflikt.
Das ist uns nicht versprochen, schon gar nicht hier in der Kirche:
Ein Rosengarten, eine konfliktfreie Zone, ein Einheitsgefühl,
ein Brei von Einverständnis und Geborgenheitsgefühl,
egal wie.
Leben bedeutet: sich nicht wegdrücken, sondern stellen.
Bedeutet nicht sowohl als auch, sondern Bekenntnis.
Bedeutet nicht Toleranz, sondern Streit:
Streit um die Wahrheit, Streit um den Weg.
Und die Karwoche, der Karfreitag ist ganz bestimmt kein Zeichen,
nicht die Einladung zum stillen Erdulden, zur Ergebung,
ganz im Gegenteil: Der Protest wird aufrecht erhalten,
durchgehalten bis zum Schluss und mit aller Konsequenz.
Gott will keine mittelmäßige Welt, sondern eine sehr gute!
Deshalb kann Gott auch nicht zustimmen, erst mal einverstanden sein,
um dann vielleicht hier und da noch ein paar Hinweise zu geben, na ja.
Die Mittelmäßigkeit,
die sich als beste aller möglichen Welten spreizt –
das ist der Urstand der Sünde.
Das Durchlavieren und „Regeln“, die Kapitulation
vor dem nun einmal Gegebenen –
das ist das, was es Jesus wert war, sein Leben dagegen zu halten.
Er hätte es sich gut gehen lassen können,
geehrt und umschmeichelt vielleicht,
der große Lehrer einer anderen Welt, der weise sich einfügt,
sein Sprüchlein dazu sagt, aber so, dass niemand merkt,
was er wirklich denkt.
Den Widerspruch im Kniefall verpacken,
die andere Welt im scheinbaren Einverständnis verstecken,
das Leben genießen, es ist kurz und mühsam genug, was soll’s.
Ja, er hätte Freude haben können.
Stattdessen: Dieser scheinbar sinnlose Kampf, das unnötige Opfer,
der Gerechtigkeitsfanatiker und Prinzipienreiter,
der mit seiner Unbeweglichkeit zum Zerbrechen gebracht wird.
Nein, in der Karwoche ergeht die Einladung zu kämpfen,
dagegen zu halten wie er.
Die Einladung, notwendige Konflikte anzugehen, nicht auszuweichen.
In der Karwoche ergeht auch die Einladung,
sich nicht dem Harmoniebedürfnis zu beugen, rücksichtsvoll,
und auch das auszuhalten:
ein nebliges Harmoniebedürfnis schlägt ganz schnell um
in Aggression gegen die Störenfriede des Friedens um jeden Preis.
Das Hosianna der Großartigkeit liegt ganz nahe
bei jenem „Kreuzige ihn!“ –
wir kennen ja die Geschichte.
Weg mit ihm, das wollen wir dann doch nicht aushalten,
nur irgendwie Ruhe und „Lasst uns doch in Frieden!“
Mit der Karwoche ergeht die Einladung zu kämpfen
auch und gerade dort, wo es aussichtslos scheint,
wo Blumentöpfe nicht zu gewinnen sind, nur Beulen zu holen.
Aber Wahrheit muss Wahrheit bleiben, um Gottes willen
und auch und gerade um der Menschen willen.
Die Karwoche ist aber auch nicht zu ertragen ohne Ostern.
Zu Jesus aufschauen, der Kreuz und Schande auf sich nahm,
den Widerspruch erduldet hat bis zum bitteren Ende.
Zu ihm herausgehen vor das Tor und keine bleibende Stadt haben,
aber auch so ganz nebenbei, aber wir wissen es ja,
wenn wir in die Karwochen gehen:
Der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.
In seinem Fall ist ganz unten nämlich: ganz oben!
In seinem Fall sind wir – am Rande, Außenseiter, Kuriosität,
sinnlose Rechthaberei scheinbar –
in seinem Fall sind wir auf der richtigen Seite, Gott sei Dank.
Der Kampf mit den Windmühlenflügeln ist nicht vergeblich.
Das Gegenhalten ist nicht umsonst, das Opfer.
Wir sind auf der Seite dessen, den Gott mit seinem Widerstand
ins Recht gesetzt hat und auf seinen eigenen Thron.
Wir sind auf der Seite dessen, in seinem Gefolge,
der wirklich Macht hat gegen die Mächtigen,
den sie dann doch nicht kriegen – am Ende kriegt er sie.
Wir sind in seinem Gefolge auf der Seite dessen,
dem alle Gewalt unterworfen ist im Himmel und auf Erden,
und der den Gewalttätigen, aller Nötigung und Erpressung
entgegen tritt,
der der Bosheit, dem Zynismus dieser unserer Welt gewachsen ist,
mehr als nur gewachsen.
Wir sind auf der Seite dessen, der die Sünde aushält, ihr entgegen tritt,
und ihr wirksam und erfolgreich alles Recht,
auch das Recht des Faktischen bestreitet.
Lasst uns aufschauen zu ihm und kämpfen mit hoffnungsvoller Geduld
und nicht resignieren, nicht aufgeben, uns nicht drücken.
„Fürchtet euch nicht!“
Amen
Pfarrer Hartmut Scheel
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