Evangelische Kirchengemeinde Zur Heimat
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9.10.2024 · 0:13 Uhr | ||
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Estomihi, 19.2.2012, 11.00 | Amos 5,21–24 | ||||||||||
gefällt es Gott?
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Was uns heute vorgesetzt wird, liebe Gemeinde, ist eine Provokation,
ist eine Ohrfeige aus dem Nichts –
und als Gesprächseinstieg eignen sich Ohrfeigen nicht sonderlich,
wer kann daraufhin dann noch ruhig zuhören,
eingehen auf den Gesprächspartner,
die Ausgangssituation ist verdorben.
Ich weiß nicht, ob Sie schon gelesen haben
und wie Sie es gelesen haben auf den Andachtsblättern, Amos 5:
Wenn es nur Amos gewesen wäre,
dem die Gottesdienste nicht gefallen,
geschenkt: einer weniger, traurig, aber zu verschmerzen.
Es wird auch damals schon so gewesen sein:
dem einen gefällt es mehr, der anderen weniger,
ein dritter kann damit gar nichts anfangen,
die vierte ohne nicht leben.
Es ist nicht alles jedermanns Sache
und was interessiert uns die Meinung
eines dahergelaufenen Ausländers: Soll er doch gehen!
Aber seine Tirade hat etwas mehr Brisanz:
Es kommt als Gottesrede daher.
Der, dem es doch gelten soll, distanziert sich,
mehr noch: legt Protest ein, vehement, beleidigend scharf.
Was befugt diesen Möchtegernpropheten zu solcher Rede?
Der hat ja keine Ahnung, soll sich doch erst einmal die Mühe machen,
verstehen, worum es geht und warum so und nicht anders
und überhaupt: Hat er bessere Ideen?
Es ist doch klar, dass unsere Gottesdienste
sehr menschliche Bemühungen sind –
sind da göttliche Maßstäbe nicht etwas übertrieben?
Niemand hat Vollkommenheit beansprucht –
woher diese Wut, diese Empörung? Diese arrogante Kritik?
Nun geht es Amos – geht es seinem Gott –
nicht um eine Reform des Gottesdienstes:
Ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit, etwas mehr Tiefgründigkeit,
angemessenere Formen, klarere Strukturen,
geht es ihm nicht um noch länger oder vielleicht straffer,
geht es ihm nicht um Ausgewogenheit
zwischen Inhalt und Zeremoniell, Wort und Liturgie.
Auch nicht um andere Musik statt des Geplärrs der Lieder,
Gitarre statt Orgel, oder doch wieder Orgel statt Klavier,
geht es ihm nicht um größere Musikalität,
um neue lebendige Lieder statt der alten, verbrauchten, erstarrten,
geht es ihm nicht um die Rückkehr zum Angemessenen
statt der Anbiederung an den Zeitgeschmack und all dem Seichten.
Es geht nicht um einen Gottesdienst, der möglichst viele erreicht,
der neu einlädt im Gegensatz zur Pflege nur immer der alten Form,
die dann mit der Generation, die es so wollte,
den Gottesdienst als ganzen zu Grabe tragen würde.
Es ist schon so: Gott könnte über einen Gottesdienst,
der denselben Ablauf, dieselben Worte hätte, dieselbe Musik,
einmal zufrieden und ein andermal empört sein.
Amos wäre nicht zufrieden, wenn er mit seinem Gegenspieler Amazja
eine Gottesdienstreform vereinbaren könnte:
Auch ein reformierter Gottesdienst wäre noch
genauso verlogen wie das, was er erlebt.
Der Lutherfilm, den wir mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden
sehen, führt im Nachspann sozusagen die Quintessenz dessen,
was wir da gerade als Reformation gesehen haben an:
So und so viel Millionen Menschen feiern heute Gottesdienst
nach lutherischer Liturgie.
Als ob es darum gegangen wäre,
alles ein bisschen moderner zu machen,
was heut schon lange nicht mehr modern,
sondern wiederum noch verstaubter wäre als damals.
Amos hat die gesellschaftlichen Zusammenhänge vor Augen:
Die Diskrepanz zwischen perfekt durchgestylter Gottesverehrung
und einer Gesellschaft, die dem Gottesfrieden ins Gesicht schlägt.
Es ist seine Kritik keine liturgische, sondern eine soziale.
Wer nicht für die Juden schreit, darf auch nicht gregorianisch singen –
das Bonhoefferzitat kennen wir.
Wer die Menschen nicht mehr im Blick hat,
sollte sich nicht verbeugen vor dem Altar Gottes.
Wer in der gerechten Organisation des Alltags versagt,
hat kein Recht, sonntags vor Gott eine heile Welt zu feiern.
Wo Menschen einander das Wasser abgraben,
wo Eitelkeiten und Intrigen regieren, hinter dem Rücken geredet
und diffamiert wird, dürfte nicht mehr scheinheilig
das Vaterunser zusammen gebetet werden.
Wo sich die Beteiligten nicht mehr aufeinander einlassen,
nicht zuhören, sondern dicht machen,
wo sich die einen für wichtiger und besser halten
und die anderen zwingen wollen, sich hinten an zu stellen,
ist das gemeinsame Abendmahl ein Missbrauch.
Wo es in der Gemeinde nicht stimmt,
ist auch der beste Gottesdienst nur eine Gotteslästerung.
Amos, den wir als einen Propheten kennen,
ist vermutlich nur eine ganz kurze Zeit am Heiligtum in Bethel
aufgetreten: Sie haben ihn ganz schnell verjagt,
den Ausländer aus dem Nachbarland einfach des Landes verwiesen.
Er ist mit all seinem Zorn wieder in den Süden gegangen,
hat Maulbeeren gezüchtet und seine kleine Herde an Tieren gehütet
und fortan den Mund gehalten, ist irgendwann gestorben –
niemand hat das dann mehr zur Kenntnis genommen.
Das Ganze ist 2750 Jahre her und Amos wäre höchst erstaunt
zu erfahren, dass er heute noch einmal zu Wort kommt,
dass sein Einspruch von damals überhaupt notiert
und so lange aufbewahrt worden ist.
Es ist aber eine Frage, die er aufgeworfen hat
und die wir nicht mehr los werden:
Wie findet Gott das alles wirklich, was wir in seinem Namen machen?
Es ist nämlich überhaupt nicht so, dass er alles toll findet,
was wir Menschen an Mühe seinetwegen aufwenden.
Es kann durchaus sein,
dass er unsere Acht- und Gedankenlosigkeit dabei,
unsere formale Beachtung althergebrachter Formen gar nicht schätzt.
Dass er ein frommes In-Sich-Gehen und für sich Sein-Wollen
egoistisch und lächerlich findet,
sich über mönchische Abgeschiedenheit und das Heraushalten
sogar ärgert.
Es kann sein, dass ihn das wuchernde Intrigenspiel hinter den Kulissen
hinter der Fassade besonderer Zuwendung,
die mit der Anrede „Bruder“ und „Schwester“ demonstriert wird,
nur abstößt, seiner überhaupt nicht würdig findet.
Wahrscheinlich hat Amos immer noch recht:
Er ist unseren Feiern gram, mag unsere Versammlungen nicht riechen,
hat kein Gefallen an allem, was wir opfern und für ihn zu tun meinen,
erträgt das Geplärr der verlogenen Lieder nicht und hört in der Musik,
die wir ihm machen, nur Misstöne.
Was sagt uns denn, dass wir in der Heimat besser sind
als die damals in Bethel? Dass Amos uns nicht trifft?
Es ist gut, dass wir die Frage des Amos nicht los werden,
den Stachel, das uns selbst Befragen: Gefällt es Gott?
Gott ist nicht bestechlich, korrumpierbar durch Verehrung nur irgendwie.
Gott hat ein feines Gespür dafür, wann er nur missbraucht wird
als Alibi, als Gewissensberuhigung,
als falsches Etikett der Güte auf giftigen Flaschen.
Wann er nur einen Grund hergeben soll zur Selbstbeweihräucherung,
wann er nur bestätigen soll, was wir uns selbst basteln.
Es ist gut, dass Amos uns immer wieder ertappt, uns wach macht,
unsere falschen Sicherheiten zerstört.
Es ist gut, dass wir Leute wie Amos haben,
Maulbeerzüchter, die sich gar nicht als Propheten sehen,
aber den Finger in die Wunde legen, keine Ruhe geben
und Fragen wach halten: Vor allem die eine große Frage,
was denn Gott wirklich davon hält.
Was er denn erwartet? Wie es zugehen soll unter Menschen,
die nun einmal Menschen sind, keine Engel?
Denen himmlische Klänge nicht zur Verfügung stehen
und auch nicht die Klarheit Gottes selbst?
Es ströme aber das Recht wie Wasser
und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
Reines Wunschdenken, Amos, naiv.
Auch Kirche ist Menschenwerk und deshalb korrupt,
ein Blendwerk von Eitelkeiten und Tummelplatz von Beschränktheit,
es geht hienieden nicht anders. –
Aber wenigstens Zeichen setzen, nicht vergessen, wozu wir da sind.
Euch nicht abfinden damit, dass es nun einmal so sei,
euch nicht einrichten in Verlogenheiten, es nicht aufgeben
mit den Menschen – vor Gott. –
Wo anfangen, Amos? Der Auftrag des Sisyphus ist gar nichts dagegen.
Der Himmel ist nicht herstellbar. –
Zeichen setzen. Nicht aufgeben. Keine Ausreden, kein Vertun.
Dazu seid ihr da, wenn ihr mit recht im Namen Gottes da seid:
Zeichen setzen für den Himmel. Zeichen setzen für eine Welt,
die dem Leben Würde gibt.
Wenn im Namen Gottes erklärt wird, es ginge nicht anders,
wenn im Namen Gottes für alternativlos erklärt wird, was ist,
wenn im Namen Gottes alles in Kauf genommen wird
und nur zum Dulden, zum dann doch auch selbst Mitmachen
aufgerufen und gestärkt wird,
wenn im Namen Gottes die Würde von Menschen
auf den Altären von Erfolg oder was auch immer geopfert wird,
dann ist da im Kern etwas faul.
Wenn nicht mehr deutlich wird, wofür ihr – wofür Gott wirklich steht,
dann wird sein Name nur noch missbraucht.
Zeigt und verleugnet nicht, wofür Gott steht, dann ist alles gut.
Dann dürft ihr singen, dann dürft ihr auch feiern.
Wenn Recht strömt bei euch und von euch
und Gerechtigkeit nicht versiegt, dann ist alles gut.
Amen
(Pfarrer Hartmut Scheel)
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